Hallo!
Endlich melde ich mich wiedermal zu Wort! Voller Scham hab ich bermerkt, dass meine Answesenheit hier im Blog sehr rar ist und ihr wahrscheinlich auch gerne wissen würdet, wie es bei mir so läuft, während Andreas ja regelmäßig ausführlich berichtet!
Ja, das mit dem Wort geht hier gar nicht so locker, flockig von meinen fingern, weshalb es zwar viel zu berichten gäbe, es aber meistens schwierig für mich ist dies an eine halbanonyme Halböffentlichkeit zu berichten (man weiß ja nie, wer gerade mitliest). Also erzählen wäre da wesentlich einfacher, als alles in schwarze Zeichen zu meiseln. Ich kann euch nur bitten: skypt mit uns!
Während unserer ersten Periode in Mosambik, hätte ich über zahlreiche Probleme und Schwierigkeiten in meinem Projekt, aber auch über Erfahrungen und kritische Reflexionen über Entwicklungzusammenarbeit – die ja stark meine Projekterfahrung prägte – berichten können.
So weit dies möglich und für euch interessant war haben wir dies ja ausführlich in wunderbaren Gesprächen während unseres Österreichurlaubes nachholen können! Oder eben in Skypegesprächen, die sich dafür besser eignen sich über komplexe Themen auszutauschen. (wie ihr seht, bewerbe ich Skype, denn ich würde wahnsinnig gerne mit euch reden;-)!)
Nun mache ich einen erneuten Anlauf, mich schriftlich zu Wort zu melden, weil ich ja grundsätzlich gerne schreibe und weil ich jetzt, seit ich bei der UCM arbeite, auch fast ausschließlich positives zu berichten habe.
Nennen wir es meine 180° Wende in Mosambik.
Das Leben sieht nun für mich wie auf einen Schlag anders aus. Die Essenz davon: es macht nun auch beruflich Sinn für mich hier zu sein und das stellt alles auf völlig andere – solide – Beine!
Die Uni bietet ein Arbeitsumfeld, was eine kleine, halbambitionierte, mosambikanische zehn-Mann-Oganisation nicht mal annähernd konnte.
Die Uni verschafft mir ein Dire - die langersehnte und absolut notwendige Grundlage der Existenzberechtigung für einen Ausländer in Mosambik, um zu Leben und zu Arbeiten. Die Uni macht das innerhalb von wenigen Monaten, was drei Organisationen für mich in zwei Jahren nicht geschafft haben.
Die Uni hat ein ambitioniertes und talentiertes junges Team. Die meisten Kollegen gehen offen und wertschätzend und mit Neugier auf mich zu. Eine Grundhaltung, die ich bei Muleide vermisst habe. Zugespitzt gesagt war ich dort die Vorzeigeweiße, die man gerne in den Mittelpunkt schiebt, wenn Geldgeber auf Besuch kommen, quasi als vertrauensbildende Maßnahme, ansonsten war ich eben auch da.
Auf der Uni wird gearbeitet. Was besonders erfreulich ist, aber auch hochinteressant, da sich so manche Differenzen in der Arbeitsweise zeigen.
Wie ihr seht, komme ich ins Schwärmen über meinen neuen Arbeitgeber, auch wenn der Alltag immer noch sehr mosambikanisch ist und mit vielen Geduldsproben und Höhen und Tiefen gespickt ist.
Das Maß stimmt jetzt. Und vorallem helfen die stabilen Rahmenbedingungen sehr. Denn die Tiefen fühlen sich jetzt anders an. Sie regen an zur Reflexion, sie lassen mich verwundert den Kopf schütteln und kurzfristig Abstand gewinnen, um anders an die Sache ran zu gehen, jetzt sind sie spannende interkulturelle Begegnung und nicht mehr existenzielle Bedrohung (wie das ständige hadern um eine Aufenthaltsgenehmigung, dass ständige bemühen um eine Etablierung eines Projektes in einer scheiternden Organisation bishin zur Enthüllung der Sinnlosigkeit).
Ja, ich genieße das Leben in Mosambik gerade sehr! Und es ist gut, dass wir noch hier sind! Denn jetzt geht es erst darum die Früchte zu ernten, davor war das nicht möglich. Wenn wir im Juli gegangen wären, dann ohne reiche Ernte, nur mit vielen Erinnerungen an Mühen, die noch nicht in Ergebnisse resultierten. Bei Andreas merkt man das besonders schön, dass er jetzt laufend auf Ergebnisse von seiner Arbeit der letzten zwei Jahre aufbauen kann, die jetzt sichtbar werden und jetzt gibt es bei den Leuten die notwendige Bereitschaft und Erkenntnis, um ihn einen weiteren Schritt zu folgen, der das Ganze nochmal auf eine andere Stufe hebt.
Der Schlüssel ist Zeit! Zwei Jahre sind zu schnell, um in Mosambik schon an ein Ziel gekommen zu sein. Jetzt ist es aber auch unsere Lebenszeit und wir sehen uns das ganze nochmal zwei Jahre an. Keine Angst wir kommen danach zurück nach Österreich! Entwicklungen hier schließen sich nicht so schnell ab und wir werden nicht darauf warten.
Jetzt möcht ich auch noch ein bisschen über meine Arbeit erzählen. Ich bin hier in die einzigartige Situation gekommen bei der Etablierung einer Qualitätsmanagementabteilung an einer Hochschule dabei zu sein. Ich bin mittlerweile Feuer und Flamme für diese Idee, lerne hier aber auch alle Stolpersteine kennen, die so ein Department für Qualitätsmanagement nur haben kann.
Mit Beliebtheit und Wohlwollen ist so eine Abteilung wahrscheinlich nirgends auf der Welt gesegnet, hier in Mosambik versucht man wiedermal ein aus dem Westen kommendes Konzept in die afrikanische Realität einer allerdings westlich-orientierten Uni zu integrieren.
Mein Kollege Brighton, der Koordinator dieser Abteilung, ein Mosambikaner, sehr ambitioniert, sehr belesen, mit nie zuvor in Mosambik gesehener Schnelligkeit, ist dazu auserwählt das alles umzusetzen, was man sich unter Qualitätsmangement vorstellt.
Letzte Woche sind wir gerade an den Punkt angekommen, wo auch für Brighton deutlich wurde, dass es bezüglich Qualitätsmangement keine Klarheit gibt zwischen den Vorgesetzten – insbesondere dem Vize-Rektor – und ihm, dem Departement. Mein wochenlanges Hinwirken, man müsse doch noch klären, welche Rolle das Department genau hat, welche Aufgaben, Erwartungen, Grenzen es gibt, ... findet endlich Gehör.
Bis jetzt existiert das Department in einer Art Isolation, Brighton bekam den Auftrag vor ca. einem Jahr, wurde dann nach Holland geschickt für eine 2-monatige Einführung in das Qualitätsmangement und danach mit dem ehrenhaften Auftrag eingedeckt einen Strategieplan für die gesamte Uni zu schreiben. Dies machte er während mehrerer Monate nach einer kurzen Erkundungstour durch das gesamte Land im stillen Kämmerlein, wo er bis Juni einen 5-Jahresplan für die Uni produzierte.
Der Arme wartete vergeblich auf Feedback. Vor zwei Wochen wurde der Strategieplan schließlich im Conselho Reitoria, einer Sitzung bei der nun Andreas auch regelmäßig teilnimmt, offenbar im wahrsten Sinne des Wortes zerfetzt, da blieb kein Satz mehr neben dem anderen und die zuständigen Köpfe haben sich endlich mit ihren Zielen und Plänen auseinandergesetzt. Brighton weiß davon noch nichts. Ist wahrscheinlich auch besser so, weil er sonst endgültig die Fassung verliert.
Er kann nämlich mit der isolierten und unklaren Situation des Departments nicht mehr gut umgehen, immer wieder gibt es Tage, wo er sehr verzweifelt ist, ich schätze da kann er mich als seine Beraterin ganz gut brauchen. Ich fühle mich jedenfalls in meinem Element ihn dabei zu begleiten die Dinge besser zu strukturieren und zu planen, ihm Mut zuzusprechen, die Dinge relativierter zu betrachten und ihn dabei zu unterstützen einen sensibleren Kommunikationsstil zu finden, damit das Image des Departments als Polizei ein anderes wird und die Vorgesetzten einen mehr schätzen.
Auf meinen manchmal vorsichtigen Einwand, den ich mir aufgrund der Beobachtung seines enormen Tempos nicht verkneifen kann, nach Geduld, reagiert er mit Ablehnung. Er möchte keine Geduld aufbringen, die Dinge sollen sich sofort ändern! Er bringt kein Verständnis mehr auf für Dinge, die zu langsam funktionieren und Mißwirtschaft, nimmt sich selbst aber auch nicht die Zeit gut zu planen und sich vorallem ausreichend vorzubereiten.
Beim ersten Workshop, den das Department für die neuen Focal Points (unsere Beautragten für Qualitätsmangement an den Fakultäten) durchgeführt hat, schlug ich dann sprichwörtlich beide Hände über den Köpfen zusammen, weil da aus meiner Sicht sogut wie keine Vorbereitung seinerseits passiert ist. Schlussendlich hat dann alles halbwegs gut durch improvisieren geklappt, es gab jedoch auch mühsame Diskussionen, die man sich durch etwas Vorbereitung ersparen hätte können und indem man den Focal Points mehr Klarheit vermittelt.
Pikantes Detail am Rande: der Workshop war drei Tage für Mittwoch bis Freitag in einer Oktoberwoche geplant. Am Dienstag reisten zwei Vortragende aus Südafrika und die Focal Points von den anderen Fakultäten aus dem halben Land an. Dann wurde kurzerhand von der Regierung am Dienstag bekannt gegeben, dass der Mittwoch zum Nationalen Feiertag erhoben wird, weil sich da zum 25. Mal der Todestag vom Nationalhelden und ersten mosambikanischen Präsidenten Samora Machel jährte. Als dies bekannt wurde fragte ich mich, was dies für den Workshop bedeutete. Ich tippte auf trotzdem am Mittwoch durchführen, weil ja alle schon angereist waren und weil man die Zeit nutzen will, um mit allen zu arbeiten. Daneben. Der Mittwoch war auch für uns ein Feiertag! Der Workshop wurde dann eben nur während zwei Tagen abgehalten.
Ich hoffe es ist mir gelungen ein paar erste Eindrücke über mein neues Arbeitsumfeld zu geben. Das Gefühl ist von Anfang an ein anderes, ein positives. Es macht Spaß auf der Uni zu sein, auf der Uni ist Leben, ist Dynamik, ist auch Entwicklung - immerhin gehts um Bildung, was für mich, nach all den Erfahrungen umsomehr der Entwicklungsmotor ist.
Über unseren Umzug hat ja Andreas schon berichtet. Ich bin auch froh, unsere neuen „vier Wände“ so schnell gefunden zu haben und muss sagen, dass uns innerhalb der wenigen Wochen, trotz viel Arbeit, Reisen, ... gelungen ist sie sehr wohnlich zu machen. Ich fühle mich jetzt schon sehr wohl hier und dank der Nähe zu den Nachbarn gibts immer mal wieder eine neue mosambikanische Geschichte.
Ich wünsche euch eine angenehme Zeit und einen schönen Jahreswechsel! Von Weihnachten werden wir hier ja nichts merken, aber wir wünschen euch allen auch Frohe Weihnachten! Genießt alles was dazu gehört: die Kälte, das Aufwärmen in der warmen Stube, die Kerzen, das Zusammensein, ...
Ganz liebe Grüße!
Iris