Samstag, 7. Januar 2012

Ueber die Effizienz von Besprechungen

(das Fehlen der deutschen Umlaute ruehrt von der portugiesischen Tastatur her, ich hoffe dies beintraechtigt die Lesbarkeit des Textes nicht allzusehr)

Nun, dass Besprechungen und Meetings im europaeischen Arbeitskontext oft den Ruf von Zeitverschwendung mit einem Hang zu uebermaessigem Kaffeekonsum haben, kann wohl als quasi gegebene Wahrheit angesehen werden.
Abgesehen von der Tatsache, dass es hier nichtmal richtigen Kaffee zu den Meetings gibt, stehn mir die Conselhos (Konferenzen) auf der Uni schon bis zum Hals. Seit zwei Tagen sitzen wir nun im Conselho da Reitoria und Gestao financeira, dem Verwaltungs- und Finanzrat der UCM.
Die 12 Teilnehmer, allesamt Direktoren und Administratoren sowie wir drei "Berater" sitzen nun den dritten Tag in Folge zusammen um die Inhalte fuer die Jahreshauptversammlung der UCM in vier Wochen zu bearbeiten.
Ich hab in den letzten beiden Jahren eine enorme Toleranz und Geduld ob der Ineffizienz der Arbeitsablaeufe entwickelt, diese droht jedoch heute einzustruerzen wie ein Kartenhaus in einem Tropensturm.

Thema 1, der Strategieplan fuer die naechsten 5 Jahre:
Erstellt wurde das 34-seitige Dokument im ersten Halbjahr 2011 durch ein Team aus 4 - 5 Personen. Zum ersten Mal wurde die Strategie dann im Herbst durch das Conselho behandelt, das sieht in Mosambik folgendermassen aus:
Natuerlich werden alle Dokumente ausgedruckt und verteilt (mittlerweile geht der ohnehin sehr grosse Tisch vor lauter Papier ueber), anschliessend zusaetlich per Beamer auf die Wand projeziert (wobei vorher ein Bild abmontiert werden muss, wie jedesmal), und eine Person wird nominiert den Text vorzulesen. Bei jedem Satz werden Rechtschreibfehler, semmantische Feinheiten und Akzente korrigiert, so gehen ca. 15-30 min pro Seite drauf. Der Inhalt hingegen kann durch diese Arbeitsweise nicht im geringsten erfasst werden. Mit keinem einzigen Wort werden die strategischen Ziele analysiert oder abgestimmt, stattdessen wird dem Vorleser jeder Tippfehler oder uebersehene Rechtschreibfehler minutenlang vorgehalten und bei der Korrektur zugesehen. Ich als non-native speaker sitz sowieso nur dabei und versuch Schritt zu halten bei der Erfassung der Inhalte, was nach spaetestens 2-3 Stunden nicht mehr moeglich ist. Bei der ersten Session zur Evaluierung des Strategieplans im Oktober wurde am ersten Tag von 8-22:30 gelesen, korrigiert und umgeschrieben, am zweiten Tag wurde immerhin nur bis 19:00 gearbeitet. Im Dezember dann dasselbe wieder, zwei Tage zur weiteren Ueberarbeitung - die um es nochmal zu erwaehnen - fernab von der sinnerfassenden Analyse und Definition einer Unternehmenstratgie mehr einer Klausurkorrektur denn einer Planung gleicht.
Diesen Donnerstag gings dann wieder los, zum wer weiss wievielten Mal wurde einen ganzen Tag lang das Dokument ueberarbeitet. Ich bezweifle stark, dass ein einziger der Teilnehmer (wie gesagt Top-Level "Manager") auch nur 3 der 10 strategischen Ziele fuer die naechsten 5 Jahre aus dem Stegreif erklaeren koennte.
Im Anschluss am Freitag eine ca. 3 stuendige Diskussion ueber das Organigramm, die immerhin ein paar inhaltliche Aspekte hatte.
Und dann wurde in ca. 15 min (sehr demokratisch mit Abstimmung) beschlossen, zwei kleinere Einheiten (Umsatz ca. 1 Mio. US$) organisatorisch in eine andere Fakultaet einzugliedern - ohne die Konsquenzen und Abhaengigkeiten auch nur im geringsten zu diskutieren. Der Nachmittag gin dann mit der Ueberarbeitung (methodisch hat sich nix veraendert) des Pastoralplans, immerhin nur 9 Seiten - da der Pastor selbst anwesend war ging der ganze Nachmittag und Abend drauf, fuer 9 (!) Seiten.

Wir haben es im letzten Jahr geschafft, einheitliche Budgetvorlagen fuer die 12 dezentral gefuehrten Fakulaeten und Zentren zu schaffen, Berichtsstandards und Budgetleitfaeden zu definieren und sie im Rahmen mehrerer Workshops den Fuehrungskraeften der Einheiten naeherzubringen. Als Resultat haben wir nun zwei Wochen nach der Deadline - nach mosambikanischer Auffassung also puenktlich - tatsaechlich alle Budgets in der Hand, die in ein paar Wochen den Stakeholdern (Bischoefen) praesentiert werden sollen und von ihnen abgesegnet werden muessen. Immerhin hat mittlerweile einer der Direktoren in einem ploetzlichen Anfall von Weitblick bemerkt, dass wir ja eigentlich im Jaenner die Ausgaben ohne bewillgtes Budget durchfuehren.
Nun, waehrend die Kollegen gerade den Leitfaden fuer die Vorlesungen, Pruefungen und studentische Belangen in gewohnter Weise "ueberarbeiten" schreib ich diese Zeilen - da ich fachlich ohnehin nichts beizutragen hab. Es ist jetzt Samstag, 11:40 und seit drei Tagen tagen wir - bisher wurde noch kein Wort ueber die Budgets verloren.

In Sitzungen wie diesen sehne ich mich nach Europa, nach Effizienz und Effektiviaet. Ich erinnere mich an den Empfang des deutschen Honorarkonsuls von Mosambik, ein grosser Foerderer der Uni seit der Gruendung und Eigentuemer einer Privatbank in Deutschland. Er hatte eine Tagesordnung, die in gewohnt deutschem Tempo abgehandelt wurde. Punkt 1 - wesentliche Inhalte - Handlungsmassnahmen - Verantwortlichkeit - Termine - naechster Punkt usw... nach vielleicht 1,5 Stunden war der Spass (fuer mich wars wirklich ein Spass zu sehen wie die Kollegen ob dem Tempo nur noch mit den Ohren schlackerten) vorbei und meine Kollegen haben mich nur noch verdutzt angeschaut.

Sitzungen zum Selbstzweck - die ueblichen Witze ueber Besprechungen in Europa treffen die Wahrheit hier wie der Deckel auf den Topf. Aber gut, ich ermahne mich zur Geduld, aus Erfahrung wird man klug heisst es. Immerhin, so ein Freund per Skype kuerzlich, wird geplant, wird diskutiert, auf beeindruckend demokratische und partizipative Weise.

Der Weg den die Uni geht ist der richtige, auch wenn hier oft drei Schritte vorwaerts, zwei nach links und einer zurueck, danach eine Bier getrunken wird und anschliessend wieder vom Anfang losgegangen wird.

In diesem Sinne, ein schoenes Wochenende - hoffentlich bald auch fuer mich...

Andreas