Samstag, 30. Oktober 2010

Kein Strom, kein Wasser = viel Zeit

Achtung, dank mehrtägigem Stromausfall hatte ich viel Zeit zum Schreiben. Also zurücklehnen, Cola und Popcorn raus und viel Spaß!


ahhhh....
Manchmal, ja manchmal komme ich auch an die Grenzen meiner Geduld. Wenn mal hinten und vorne alles schiefläuft ists ja noch irgendwie lustig, WIE schief alles laufen kann.
Aber frustrierend wirkt momentan grad diese ständige Wiederholung der gleichen kleinen Probleme, die da wären:
Strom
Wasser
Internet
Auto

Die Arbeit lass ich heut mal außen vor, denn was da alles so schief laufen kann und mit der Zeit an die Substanz geht hab ich eh schon das eine oder andere Mal an anderer Stelle erzählt.

Auch wenn die Stimmung an so einem Tag wie heute ziemlich gedämpft war, so kann sich alles in einem Moment wieder ändern. Gerade eben hat Iris bemerkt, dass unsere zweite Henne grad Nachwuchs fabriziert hat, 8 oder 9 (so genau haben wir sie noch nicht zählen können...) kleine goldene Kücken. Mit den ursprünglich 7 von Henne Nr.1 zählt unser kleiner Geflügelhof nun 15 Kücken und 2 dicke Hennen... afrikanische Zustände halt.

Nun denn, ich nutze die Zeit bis ich auf den Installateur warte dann einfach mit Kückengucken, denn da das Internet in den letzten Wochen kaum länger als 10 Minuten stabil läuft macht Web-Surfen keinen Spaß. Glücklicherweise ist auch gerade Tag, d.h. hell, mit Sonne und so. Denn darüberhinaus gibt’s laut Aussage der Eletrizitätswerke „Probleme mit einer Phase in unserem Viertel“, was den Strom im Sekundentakt kommen und gehen lies.
Dass das nicht besonders gesund für nahezu alle elektrischen Geräte ist, liegt nahe – daher verbrachten wir die letzten beiden Tage mehr oder weniger stromlos.
In diesen Tagen lobe ich unseren Gasherd in den Himmel, so kann man wenigstens ohne Strom kochen, was manch futtergrantigen Löwen in diesem Haus zumindest zeitweise ruhig stellt. Dazu noch ein paar Öllampen und Spielkarten und eine nette Abendstimmung lockert den Ärger etwas auf.


Ein kurzer Exkurs:
Das uns Mitteleuropäern bekannte System der Stromabrechnung funktioniert hier nicht. Anstatt eines Stromliefervertrages mit plombiertem Stromzähler, Bankverbindung und Jahresendabrechnung ist hier ein Credit-System verbreitet, ähnlich wie Telefonwertkarten für Handys.
In unserem Haus hängt im Stiegenhaus ein kleiner Kasten mit Digitalanzeige und Eingabefeld, das das Stromguthaben in kWh anzeigt. An dedizierten Verkaufsstellen, Tankstellen und Geschäften kann man dann unter Angabe der Zählernummer Stromguthaben kaufen und auf diesen Kasten laden (genannt Contador, also so was wie Zähler).

Vor sechs Wochen cirka wach ich am Sonntag früh auf und rieche Kabelrauch, ein schnatterndes elektronisches Geräusch aus eben diesem Contador wirkt auch nicht sonderlich beruhigend und so beschließe ich noch im Halbschlaf, das Kastl aufzumachen weil ich Angst habe das halbe Haus durch Kabelbrand abfackeln zu lassen.
Also Schrauben auf, Plombe runtergerissen (hmm, war das jetzt gut...?) und nachgeschaut. Beim Öffnen des Kastls hört wenigstens das schnatternde Geräusch vermutlich eines Relais auf – der Geruch nach verbrannten Kabeln bleibt.
Strom is weg.

Na toll.

Immerhin am nächsten Tag erreiche ich jemanden bei den E-Werken (der EDM), warte bis Mittag zuhause und gegen 14:00 kommt das erste Team.
Schauen sich das Kastl an und bemerken, dass es geöffnet wurde.
Ja klar, schließlich würde die EDM auch nicht zahlen wenn das Haus abbrennt, oder?
Nein, aber ich darf es nicht aufmachen.
Durch das Öffnen wird automatisch die Stromzufuhr unterbrochen, weil man könnte den Zähler dann ja überbrücken und somit gratis Strom beziehen (wie es angeblich „gelegentlich“ hier vorkommt).
Ich soll zur EDM fahren und muss dort Strafe zahlen. Gut, rein ins Auto und ab in die Baixa.
Was nun kommt war wiedermal Mosambik par excellance.
- Kurz warten, fragen wie geht’s.
- Bekünden dass es einem so schlecht geht weil ja kein Strom da ist, seit Tagen.
- Dass man besorgt war es würde was zu brennen beginnen und man deshalb den Contador geöffnet hat.
- Aber da kann man nix machen, da muss ich jetzt Strafe zahlen.
- Aber warum denn, schließlich war Gefahr im Verzug!
- Na was man da jetzt machen kann?
Hmm, betroffen dreinschauen auf jeden Fall. Nix sagen, abwarten. Dazwischen mit dem Kunden nebenan plaudern der direkt daneben sitzt und darauf wartet, auch seine Leidensgeschichte darlegen zu können.

Wozu ihm der Angestellte der EDM nun auch Gelegenheit gibt, also bedient er ihn kurzermaßen und lässt mich links liegen. Sein Anliegen war relativ schnell erledigt und somit waren wir wieder alleine in dem Büro, woraufhin wir nun Tacheles reden.
- Wie hoch ist die Strafe?
- Kommt drauf an, kann schon einige Tausend Metical kosten (also ein paar Hundert € könnens schon werden), muss man sich anschaun...
Hmm, eine dezente Handbewegung seiner linken Hand in Richtung seiner Geldbörse und mir war klar dass er eine „Ausnahme“ machen kann, wenngleich dieser „Gefallen“ natürlich nicht selbstverständlich ist, und er ja schließlich eine Familie zu ernähren hat und so weiter und so fort – das sagt er zwar alles nicht, ist mir aber nach über 16 Monaten hier sonnenklar.
Und so wandert dezent der Gegenwert von etwa 10€ kleingefaltet unter ein paar Zetteln auf seinem Schreibtisch. Ich hasse diese Bestechung, diese Korruption, umsomehr da dieser Machtmissbrauch einfach widerlich ist. Die 10€ ersparen mir nun stundenlanges Warten auf die Berechnung der Strafe, Freischaltung der Box und was weiß ich für Papierkram – was bleibt ist ein schlechtes Gewissen, das mit dem Frust konkurriert.

Etwa um acht Uhr abends dann kommt ein netter Techniker von der EDM und installiert einen neuen Zähler – dankenswerterweise mit Stromguthaben in der Höhe von ca. 500 MTN also passts irgendwie wieder... Der Techniker hingegen verlangt nix, will auch kein Trinkgeld.

Nun, heute jedenfalls funktioniert der Strom wieder – zumindest hatten wir nun 3 Stunden keine Unterbrechung. (Korrektur, 10 Minuten nach dem Schreiben dieser Zeilen wieder ausgefallen)
Bleibt noch abzuwarten wann (und ob) der Installateur kommt, denn ich hab heut früh festgestellt dass die Wasserschläuche beim Waschbecken undicht sind.
Damit landen wir fast ohne Umschweife beim Thema Wasser.

Hier muss man Anfangs erwähnen, dass es hier eine starke Korrelation zum vorangegangenen Kapitel gibt, denn ohne Strom kein Wasser im zweiten Stock (WC, Dusche) – in der Küche immerhin geht’s meistens auch ohne Strom.
Bisher hatten wir hier nur wenige Störungen, wenn ich auch noch nie so oft einen Installateur gebraucht hab wie in den letzten 16 Monaten (oder selbst Hand angelegt hab).
Am Anfang war laufend der Kanal verstopft, wegen Konstruktionsfehler im Abwassersystem. Abhilfe schaffte die Abgewöhnung der Routine, das Klopapier in der Schüssel zu entsorgen und verstärkt das Bidet zu verwenden.
Einmal musste eine Zufuhrleitung abgedichtet werden, der Hahn in der Küche benötigt wöchentliche Pflege mit einem Gabelschlüssel und die Fugen des Waschbeckens müssen jährlich wegen Schimmelbildung neu gemacht werden. Wenns kein Wasser gibt kommt die berühmt berüchtigte afrikanische Kübeldusche zum Einsatz.
Mal schaun, vielleicht muss ich in den nächsten Tagen dann noch den Hauptwasserhahn abdrehen und mich auf die Suche nach einem Wasserschlauch für das Waschbecken machen.

Nun, die Internetproblemchen kann man eigentlich nicht als existenziell bezeichnen, wenngleich man schon eine gewisse Gewöhnung an die quasi konstante Verfügbarkeit bekommt.
Kurz vor Abflug auf die Ilha zum halbjährlichen Horizont3000-Treffen ist das ADSL-Modem abgebrannt. Ich kann mir den Verweis auf das dicke fette „Made in China“ Symbol nicht verkneifen, aber eindeutige Mitschuld am Ableben des Modems haben sicher auch die Stromausfälle (und dadurch bedingten Stromspitzen beim Einschalten des Netzes). Ein kurzer Seitenhieb auf den ganzen chinesischen Ramsch hier muss dennoch einfach sein.
Jedenfalls haben wir nun wieder ein Modem, mehrwöchige Lieferengpässe der Telefongesellschaft und kein einziges Geschäft in der ganzen Stadt wo es Modems zu kaufen gibt haben uns geholfen das Downloadlimit einzuhalten.

Ihr seht nun liebe Leser, fad wird uns hier sicher nicht. Denn wenn mal in den Projekten die Dinge nicht so schnell vorwärts gehen so beschäftigt uns das Projekt „Leben in Beira“ ohnehin ständig.

In diesem Sinne, ein schönes Wochenende und bis bald mal wieder!

Andreas & Iris


Nachtrag Montag, 01.11.
Allerheiligen, ach ja – wenn der Kalender nicht wäre würde ich es fast übersehen haben. Bei derzeit gefühlten feuchtschwülen 37° wäre ich nicht von selbst drauf gekommen.

Seit heut mittag ist der Strom wieder da... knapp 4 Tage ohne Strom waren eine interessante Erfahrung, aber ist im Endeffekt kaum was anderes als 4 Tage campen, nur dass das Bett gemütlicher ist :-)

Angeblich, so hab ich heute auf der Post erfahren, waren/sind Sabotageakte an der Strommisere der letzten Tage schuld. Der (hier nicht allzu beliebte) President der Nation ist in der Stadt, offenbar wollte ihm jemand die Ankunft vermiesen...

Der Wasserschlauch ist ebenfalls installiert – wenn man nicht so viel Zeit im Internet vertrödelt hat man automatisch mehr Zeit für handwerkliche Experimente.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Auswirkungen der Unruhen

Liebe Leser,

gerade habe einen Newsletter gelesen, dessen Inhalt mich sehr überrascht hat.
Anfang September gab es in einigen Landesteilen, vor allem Maputo und Chimoio, Unruhen über steigende Lebensmittel- und Treibstoffpreise, mehrere Demonstranten wurden von der Polizei im Zuge der Ausschreitungen getötet.
Eine der ersten Maßnahmen der Regierung war nun, dass Handys mit Pre-Paid Wertkarten (vermutlich 90% der im Umlauf befindlichen Telefone) namentlich registriert werden müssen. Bei den Unruhen wurden Streikaufrufe via SMS verbeitet.

Nun aber wurde verlautbart, dass der Industrieminister und der Minister für Landwirtschaft die Konsequenzen zu tragen haben und ihren Sessel räumen müssen.
Moçambique, so im Wortlaut des Newsletters, ist in den letzten 15 Jahren seit Ende des Bürgerkrieges eine falsche Strategie in Landwirtschaft und Industrie gefolgt. Anstatt wie im benachbarten Malawi (oder früher schon in Indien) eine grüne Revolution durch subventionierten Einsatz von Düngemitteln und verbesserte Anbaumethoden im Kleinbäuerlichen Sektor zu forcieren, schlug die völlige Öffnung der Märkte und Privatisierung fehl.
Der scheidende Minister für Landwirtschaft hat sich stets gegen die erfolgreich in Malawi praktizierten Strategien positioniert und statt dessen auf bessere Infrastruktur für die Unterstützung des Privatsektors, den Ausbau des Seehafens hier in Beira um größere Schiffe abfertigen zu können sowie den Aufbau von großen Lagerhäusern für Düngemittel gebaut.

Ob die neuen Minister nun eine Änderung der Strategien angehen werden oder alles beim alten bleibt wird sich zeigen. Eines jedenfalls gibt Hoffnung, dass hier das demokratische System noch so weit intakt ist und die Demonstrationen von der regierenden Partei zur Kenntnis und Handlungsanweisung ernst genommen werden.


Und nun zu den Lokalnachrichten:
Wir sind wieder da!
Nachdem unser Stromzähler kürzlich qualmend und nach Kabelbrand riechend das Zeitliche gesegnet und das ADSL-Modem gleich mit in den elektronischen Tod gerissen hat, wars erstmal einige Zeit finster im Hause. Dank Nachbarschaftshilfe konnten wir zumindest den Kühlschrank kühl halten, bis wir einen neuen Stromzähler bekamen, was relativ schnell ging (2 Tage).
Die TDM (Telecommunicaçoes de Moçambique) aber hatte seit mehreren Wochen kein Modem mehr verfügbar, in der ganzen Stadt war keines aufzutreiben.
Nachdem wir von unserem H3-Seminar auf der Ilha de Moçambique (Bericht und Fotos folgen) zurück gekommen sind, gabs glücklicherweise wieder welche.
Ansonten, im Süden nichts neues :-)

Alles Liebe aus Beira,

Andreas