Sonntag, 9. Dezember 2012

(Rueck-) Reisefieber

Mein lieber Schwan,

mit Reisevorbereitungen hatten wir es ja schon desoefteren zu tun, wie schon einige Male auf diesen Seiten beschrieben. Was uns allerdings gerade in Bezug auf unsere Heimreise hier trifft lasst selbst den abgebruehtesten Schwan wohl nicht kalt, aber gut, die Schwaene uebersiedeln ja einmal jaehlrlich nach Europa und wieder zurueck in die arktische Tundra, wie mir Wikipedia gerade gefluestert hat.

Seit fast vier Wochen nun laufen wir alle moeglichen Ministerien und Aemter ab um Ausfuhrgenehmigungen, Zolldokumente, Frachtagenten und Bescheinigungen ueber dies und das zu bekommen, nebenbei wird unser Hund noch von einer Geschlechtskrankheit therapiert, die er sich wohl von einer streunenden Huendin eingefangen hat und darueberhinaus fehlt uns noch immer das korrigierte Tollwut-Zertifikat aus Suedafrika. Dass auf der Uni gerade bei mir auch noch viel zu tun ist geht neben dem ganzen Amtsschimmel schon fast unter. In dieser Zeit wurden unsere durch das lange Warten auf diesen Moment schon ausgeduennten Geduldsnerven ordentlich beansprucht - gluecklicherweise sind ebendiese nach 3,5 Jahren Mosambik etwas trainierter als zuvor.

Jedenfalls laeuft der Countdown, in 14 Tagen wird der Container mit unserem Hab und Gut nach Linz verschifft und zwei Wochen spaeter werden wir dann - wenn alle Dokumente rechtzeitig ankommen - mit unserem Hund den Flieger besteigen.
Heute nachmittag konnten wir die Packliste fuer den Container fertigstellen und damit erstmals einen wichtigen Zwischenschritt abschliessen, das Zeugs wird in den naechsten Tagen dann noch vom Zoll geprueft und wenn unsere Wohnung dann leer ist wird wohl hoffentlich auch der Stress nachlassen. Unsere Nachbarin geniesst ihre Ferien in Oesterreich und hat uns freundlicherweise ihre Wohnung zur Verfuegung gestellt, wo wir dann noch die letzten Tage hier in Beira verbringen werden.

Wenn alles glatt geht, was trotz des Chaos und dem ganzen Hickhack hier ueberraschenderweise meistens der Fall ist, landen wir am 6. Jaenner in Wien.
Leberkassemmeln, oesterreichisches Bier, Bergkaese und lieber Winter, wir kommen!

Alles Liebe,
Andreas & Iris

Montag, 15. Oktober 2012

Das letzte Muh der Heiligen Kuh

mal eine kurze Anektdote aus dem Besprechungszimmer des Rektorats, in dem wir wiedermal seit 12 Stunden im Conselho de Gestão Financeira, dem Finanzsenat, verbringen.

Als ich vor 9 Jahren (uff, tatsaechlich) meine Diplomarbeit geschrieben habe und in der Unibibliothek nach Literatur gesucht habe, bin ich im Regal zwischen Insitutionenoekonomie und Organisationslehre auf einen ungewoehnlichen Buchtitel gestossen: "Das letzte Muh der Heiligen Kuh" von Robert Kriegel und David Brandt.
Der eigenwillige Titel hatte eine interessante These, in vielen Organsiationen gibt es zahlreiche Heilige Kuehe die unantastbar wirken und nicht geschlachtet werden, Indien-Kenner wissen wohl was gemeint ist.
Im Buch wird zu einem internen Wettbewerb aufgerufen, einen Kuhglocke in der Abteilung aufzuhaengen und diese laeuten zu lassen, wenn eine Heilige Kuh gefunden wurde die geschlachtet werden kann.

Heute im Conselho habe ich die Glocke mal laeuten lassen, mit dem folgenden Vorschlag:
Auf der Uni gibts zig Gebuehren fuer administrative Anfragen der Studenten, 10 Metical (25 Cent) fuer eine Bestaetigung, 50 Metical fuer eine andere, 70 MTN fuer das und jenes. In Mosambik ist das ueblich, aehnlich unseren gluecklicherweise mittlerweile ausgestorbenen Stempelmarken auf den Aemtern.
Als es nun als vorletzten Punkt nun um die Anpassung der Studiengebuehren ging hab ich mal ganz frech eingeworfen: Studiengebuehren um den Inflationssatz erhoehen und gleichzeitig als Anreiz diesen Kleinkram lassen, der ohnehin nicht wirklich zum Erfolg der Fakultaet beitraegt (wissen wir mittlerweile auch dank der neuen Berichte...).
Abgesehen vom geringen Einfluss auf das Ergebnis sind diese ganzen Gebuehren natuerlich ein irrsinniger buerokratischer Aufwand. Der Student darf ja hier nicht Bar zahlen (Korruptionseindaemmungsmassnahme) sondern muss alles aufs Konto einzahlen. Will er also eine Bestaetigung fuer seine Pruefung oder was weiss ich muss er vor der Ausstellung den Betrag erfahren, sich auf der Bank anstellen und den Laercherlschas aufs Konto einzahlen und mit dem Einzahlungsbeleg kann er dann endlich seinen gewuenschten Zettel abholen.

Diese Minigebuehren waren solch eine Heilige Kuh, aufgrund der Betriebsblindheit kommt keiner der 12 anwesenden Fuehrungskraefte und internen Berater auf die Idee diese Dinge abzuschaffen, was war wird immer sein - kurzum der Vorschlag kam ueberraschend aber sehr gut an und wurde nach kurzer Diskussion dankend aufgenommen, nicht nur die Buchhalter werden sich freuen sondern auch den Studenten wurde so der Alltag erleichtert.

So, jetzt kann ich nur noch hoffen dass dieser Marathon bald ein Ende findet, morgen gehts um 8:00 weiter und das wird dann der letzte Conselho fuer mich gewesen sein - das verhilft zur Geduld die ansonsten wohl schon seit Stunden aufgebraucht waere...

Liebe Gruesse,

Andreas

Samstag, 6. Oktober 2012

aus dem Busch ist in den Busch, back in Beira

so, wir sind wieder gut von unserem Urlaub zurueckgekommen. Urlaub machen heisst hier vor allem im Auto sitzen und schier unendliche Distanzen zurueckzulegen.
Alleine bis zur ersten Strassenkreuzung, bei der man sich Richtung Norden, Sueden oder Westen entscheiden kann, sind es ca. 140km oder 2 Stunden Fahrt - noch dazu auf einer der schlechtesten Teerstrassen des Landes. Schlagloecher im Badewannenformat, eine Menge Schwerverkehr mit Holz, Kohle oder anderen Exportguetern die sich einen Dreck um einen entgegenkommenden PKW kuemmern und ueberholen oder den eben erwaehnten Schlagbadewannen ausweichen.

Dennoch sind alle bisherigen Reisen hier immer wieder zauberhaft. Diesesmal haben wir uns mitten in Simbabwe mit Andi und Kerstin getroffen und haben das anruechige Simbabwe bereist. Die Victoriafaelle waren diesmal sogar noch beeindruckender als bei unserem ersten Besuch von vor zwei Jahren, da ein bissl weniger Wasser runtergerauscht ist und somit die 1,5 km lange Fallkante des Wasserfalls sichtbar war - im Mai, also kurz nach der Regenzeit beim letzten Mal wurden wir watschelnass als wir in die Naehe der Klippe kamen und konnten vor lauter Gischt kaum was sehen.
Anschliessend gings in den Hwange Nationalpark, der etwa um ein Drittel groesser ist als ganz Oberoesterreich allerdings deutlich weniger Versorgungsmoeglichkeiten bietet (keine Tankstelle, kein Supermarkt, drei Camps mit einfachen Haeusern zum Uebernachten).
Dafuer gibts Natur und Tiere - wir stehen kurz vor der Regenzeit, es hat hier seit April nicht geregnet und umsomehr Tiere zeigen sich nun an den wenigen verbliebenen Wasserstellen. Elefanten, Bueffel, Loewen und Antilopen in Steinwurfweite sind einfach immer wieder ein Erlebnis.
Allerdings hat uns der Ausflug in den Busch einen platten Reifen und ein Leck im Kuehler beschert, das jedoch schon in der naechsten Stadt provisorisch und ein paar Tage spaeter vollstaendig gerichtet wurde - stundenlanges Warten in den afrikanischen Werkstaetten miteingerechnet.

Das Nachbarland Simbabwe hat einen ganz eigenen Flair, voellig anders als Mosambik. In Simbabwe waren bis 1980 die Briten als Kolonialmacht aktiv und haben im Gegensatz zu den Portugiesen in Mosambik die Infrastruktur gut ausgebaut. Nach den Krisen der letzten 10,15 Jahre ist das Land am Boden, vieles aus der "alten Zeit" ist aber noch mehr oder weniger gut erhalten oder wird am Leben erhalten. Vintage-Fans wuerden wohl an diesem Land einen Narren fressen. In so manchen Hotels und Lodges taucht man dort wie in eine andere Zeit ein, faszinierend.

Nun sind wir allerdings schon wieder in Beira und geniessen noch ein paar Urlaubstage mit unseren Gaesten. Naechste Woche gehts dann wieder an die Uni, ein paar interessante Dinge stehen an bevor in knapp zwei Wochen mein Vater kommt und wir nochmal einen kleinen Urlaub machen - der Letzte denn bald gehts ja wieder Richtung Heimat.
Am 20.September hat die Deadline fuer die Einreichung der Budget unserer "Business Units" geendet, wie man unsere Fakultaeten wohl auf neudeutsch nennen wuerde. Bis heute sind auch tatsaechlich schon 4 der 12 Budgets eingetroffen, wau - in zwei Wochen tagt der Universitaetsrat, an dem die Budgets praesentiert und genehmigt werden sollten, ich bin schon gespannt welche Ausreden sich die werten Herren wieder einfallen lassen warum sie nicht zeitgerecht und im standartisierten Format gemacht wurden.
Daneben gilt es noch das Angebot fuer mein Nachfolgeprojekt zu ueberarbeiten. Hier wurde die ERP-Software Primavera von einem Kollegen vor knapp 5 Jahren eingefuehrt, nachdem ich nun die Buchhaltungs- und Controllingecke halbwegs auf Schiene gebracht habe geht es nun an die Erweiterung desselben, mit lokalen Dienstleistern und Consultants. Kostenpunkt schlappe 100.000 USD, fuer europaeische Verhaeltnisse wohl ein Klacks, hier schlucken die Herren jedoch gehoerig an dem Angebot. Nachdem ich aber die Uni nun schon so gut kenne wird die Argumentation fuer diese Investition leicht werden, der Uni gehen jaehrlich derartige Unsummen durch fehlende Rechnungskontrolle durch die Lappen, eine Verminderung der Aussenstaende unserer Studenten von 10% wurde diese Ausgabe schon innerhalb eines Jahres amortisieren. Allerdings ist bisher intern noch niemand auf die Idee gekommen sich diese Ecke mal genauer durchzurechnen, tja.

Und so gehts echt langsam aber sicher Richtung Ende unserer Arbeit hier. Ich muss schon sagen dass die Wehmut jeden Tag groesser wird. Waehrend vor ein paar Wochen die Pendel noch eindeutig fuer Oesterreich ausgeschlagen haben so bewirken ein paar freie Tage ohne nennenswerte Probleme im Arbeitskontext ein deutliches Ausschlagen in die andere Richtung. Gemuetlich und schoen ist es hier allzumal, aber dennoch schlaegt unser Herz (noch) den europaeischen Takt.
3,5 Jahre ist eine lange Zeit - aus europaeischer Sicht wohl noch laenger als aus dem afrikanischen Blickwinkel, ich fuerchte wenn wir jetzt nicht den Rueckzug antreten wuerden wir wohl dem Rythmus Afrikas endgueltig verfallen und sich die Tueren in der EU schliessen. Verbuscht nennen das dann die Entwicklungshelfer - ich habe schon einige Kollegen kennengelernt die mit Europa einfach nicht mehr koennen.

Viele Dinge des taeglichen Lebens sehen wir nun voellig anders als vor 3 Jahren, ich hoffe manche dieser Blickwinkel auch mitnehmen zu koennen und das Leben in Oesterreich etwas anders angehen zu koennen. Denn so wie es aus der Fremdperspektive wirkt ist so einiges im Busch in letzter Zeit, ich bin gespannt wohin es mit Oesterreich, der EU und der westlichen Welt in den naechsten 20 Jahren hingehen wird, denn die Karten werden neu gemischt, so zumindest mein persoenlicher Eindruck den wir von hier aus lediglich aus Medien und dem Internet gewinnen koennen. Was immer auch passieren wird, wir wollen es in Europa miterleben.

Fotos wie gewohnt etwas spaeter, sobald die Favoriten gekuert sind und das Internet den Upload packt.

Liebe Gruesse,

Andreas & Iris

Sonntag, 16. September 2012

Paint Job im Bairro

Vor etwa vier Monaten ist uns beim Besuch einer Mission am Sambesi in der Nähe von Tete ein Kleinlastwagen reingekracht. Der Unfall und die folgenden Aktionen selbst sind ja eigentlich schon einen eigenen Beitrag wert, daher in Kurzfassung was damals passiert ist.

Auf dem Weg nach Boroma, einer Missionsstation der Jesuiten aus dem 19. Jahrhundert, wunderschön auf einem kleinen Plateau über dem Sambesi gelegen, mussten wir an einer engen Stelle der Piste stehenbleiben weil ich schon einen kleinen Laster die Strasse hochkommen sah. Gut, abwarten und Geduld beim Autofahren hier ist sowieso oberstes Gebot, als aber jener Laster auf Höhe meines Seitenspiegels war hab ichs schon krachen gehört. Er hat den Spiegel tangiert, welcher folglich nicht mehr zu gebrauchen war und ist ab der Mitte der hinteren Tür der Seite entlanggeschrammt. Scheiben sind glücklicherweise keine gebrochen und es blieb bei einem Blechschaden.


Ausgestiegen und den Schaden begutachtend trafen wir auf den Fahrer, der behauptete die beiden Ochsen hinten auf der Ladefläche seien plötzlich auf meine Seite gerutscht und er wurde daher versetzt - naja, überprüfen liess es sich ohnehin nicht mehr, auf Polizei wollte er gerne verzichten da er natürlich weder Führerschein, Zulassungspapiere und Versicherung gehabt hat - selbst das Auto hat nichtmal ihm gehört, er war nur der Fahrer.
Normalerweise, so die afrikanische Regel, wird in solchen Fällen gemeinsam auf die Polizei gefahren um die Sachlage zu klären - wir waren allerdings knapp vor unserem Ziel und somit wär der ganze Ausflug ins Wasser gefallen, also haben wir uns auf die riskante Variante eingelassen ihn später zu Hause zu treffen. Dokumentiert war alles, Fotos vom Schaden, von der Kopie seines Personalausweises, vom Kennzeichen und genug Zeugen hatten wir auch dabei.

Boroma, gegründet ca. 1890

Nun, beim Rückweg haben wir ihn telefonisch natürlich nicht erreicht, dafür hat eine Frau abgehoben die behauptet hat den Mann nicht zu kennen. Uns schwante Böses... Ein Kollege von der Uni in Tete war mit dabei und hat uns geholfen, den Kerl im Bairro aufzuspüren. Nach langem herumfragen, herumzeigen des Fotos usw. haben wir dann eine Person gefunden bei der der Kerl noch eine offene Rechnung hat, sie hat uns bereitwillig seinen Wohnort erklärt. Dort haben wir auch den Lastwagen angetroffen und nach kurzer Zeit auch ihn gefunden. In solchen Fällen ist der Motorista, der Fahrer, normalerweise nicht für den Schaden verantwortlich da er quasi im Dienst des Fahrzeugsbesitzers gehandelt hat - und dieser Mann war wie wir erfahren haben zufälligerweise Dozent auf der UCM.
Somit war die Sache halbwegs geritzt - nachdem der Besitzer erfahren hat in wessen Auto sein Fahrer reingekracht ist (einer der vielen Vorzüge zum Topmanagement der UCM zu gehören...) und nach einem gemeinsamen Gespräch mit dem Direktor der Fakultät dort hat er sich schriftlich bereiterklärt, den Schaden zu bezahlen.

Lange Vorgeschichte, nun zum Kern.

Was ist zu tun wenn das Auto verbeult ist und der Tankdeckel (also dieses Blechdings, nicht der Verschluss) nicht mehr am Auto ist.
In Österreich wohl in die Vertragswerkstätte fahren, den Deckel um 300 EUR aus Japan bestellen, ebenso die Teile der Plastikverkleidung (wohl ebenfalls 300 EUR), dieselben lackieren lassen (400 EUR) und die ganze Seite des Autos ausbeulen, mit Spachtelmasse ausgleichen und ebenfalls lackieren (3.500 EUR). In Anbetracht des Aufwandes würden die meisten das Auto wohl eher gleich dem nächsten Afrikaner verkaufen, der die Kiste dann in seinem Heimatland billig herrichten würde.
Aber da wir ja in einem dieser Länder sind, wo ebendiese Schrottkübel oft landen hab ich die Sache halt hier vor Ort in Angriff genommen, was einem Canossagang glich.
Wochenlang war ich unterwegs um einen günstigen Bata-Chapa (wörtlich übersetzt Blechklopfer also Spengler) zu suchen - kommt man als Weisser in eine dieser "Werkstätten" setzt meist eine sprunghafte Inflation ein und die Preise vervierfachen sich von einem Moment auf den anderen. Also Vertrauensleute gesucht, diese vorgeschickt bis ich vor ein paar Wochen endlich jemanden um ca. 45 EUR aufgetrieben habe, der das Blech einen Tag lang bearbeitet hat und wieder halbwegs gerichtet hat.

Geduld ist, wie ich schon desöfteren angemerkt habe, hier der Schlüssel zu fast allen Ergebnissen. So traf ich dann am Markt beim Brotkaufen auf einen Jungen, der mit Iris schon desöfteren über unser desolates Auto geplaudert hat, der mir angeboten hat den fehlenden Tankdeckel auftreiben zu können - und ausserdem jemanden zu kennen der gut lackieren kann. Am übernächsten Tag also den Jungen gesucht und mit seinem Kollegen für den folgenden Tag vereinbart, den Lackierer aufzusuchen. Um 8:00 am nächsten Morgen haben wir dann den besagten Mann getroffen und uns auf den Weg gemacht das ganze notwendige Zeugs zu besorgen. Schleifpapier, Grundierung, Lack und was weiss ich was da alles in den Einkaufskorb des einzigen Lackgeschäftes in Beira gewandert ist, immerhin haben sie dort mittlerweile eine computerisierte Mischanlage die auf Basis des Farbcodes des Autos die richtige Farbe mischen kann!
Zwei Stunden später sind wir dann bei einer Werkstatt stehengeblieben, die die Plastikteile kleben kann. Nach zähen Verhandlungen wurde ich 18 EUR für das Kleben und weitere 20 EUR für einen selbstgebastelten Tankdeckel los. Als der Tankdeckelmanufakteur mit einer Blechzange und einem Stück Karton Maß für den Deckel nahm schwante mir schon eine böse Vorahnung, dass das nicht funktionieren wird.

Die nächsten Schritte: warten bis die Farbe fertig gemischt ist, abholbereit ab 14:00. Der Lackierer ist ein Mann der Tat, hochmotiviert und daher sind wir in seine Werkstatt gefahren - nach Munhava, in eines der Bairros am Stadtrand von Beira. Die Werkstatt bestand aus einer kleinen Garage ohne Dach zwischen zwei kleinen Häuschen, mitten im Bairro zwischen all seinen Nachbarn und Familienangehörigen.
Americano, so sein wunderlicher Name, hat sich sogleich an die Arbeit gemacht und mit seinem Assistenten angefangen, die Spachtelmasse aufzutragen und den alten Lack auf der kompletten rechten Autoseite und der Kühlerhaube, deren Lack auch mit der Zeit schon abgeplattlt ist, abzuschleifen.
Der Vermittler, Estevan, hat mich nach einer Viertelstunde gefragt ob wir nicht auf ein Bier schaun sollten - zu seiner Namorada, seiner Geliebten also. Die Esposa, seine Frau wohnte allerdings in Ponta Gea, unserer Nachbarschaft. Allerdings hat er mir später erklärt dass seine Frau eigentlich nicht mehr seine Frau ist und nur die leibliche Mutter seines Kindes, naja, is halt so.
Dort gabs zu Mittag nun schon das erste kühle Bier während wir gewartet haben dass die Zeit vergeht und wir den Lack abholen können. Später gabs sogar noch ein kleines Mittagessen von seiner Namorada, Fisch mit Reis und Sosse, lecker.
Um viertel nach zwei hat dann der Lackierer angerufen, war schon grantig dass wir uns so lange nicht blicken liessen, aber der Aufenthalt bei Estevans Freundin war sehr kurzweilig.

Die Stimmung im Bairro lässt sich kaum in Worte oder Bilder fassen. Kleine, enge Gassen aus notdürftig gebauten Lehm-, Stein- und Ziegelhäusern, unzählige Kinder die sich auf frisch aufgeschütteten Erdhaufen der Strassenmeisterei austoben. Ein ständiges Kommen und Gehen von Nachbarn und Leuten, die ein paar Kleinigkeiten in ihrem Mini-Shop kaufen und interessante Diskussionen mit allen Beteiligten - die Zeit verging wie im Flug.
Am Nachmittag dann gings wieder zurück in die Stadt, die Farbe, die hoffentlich bereits geklebten Autoverkleidungsteile und den ominösen Tankdeckel abzuholen. Das Einzige, was bis 15:00 fertig war war die Farbe. Die Teile waren schon fast fertig repariert allerdings hat der Tankdeckel natürlich hinten und vorne nicht gepasst... Zwei Stunden hat der Kerl dann noch gebraucht um den Deckel einigermassen hinzubekommen - meine ursprüngliche Skepsis hat sich leider bestätigt.Schlussendlich hats dann doch halbwegs geklappt, die Deckel hat mehr oder weniger gepasst und liess sich verschliessen und nur von Innen öffnen. Somit waren wir kurz vor Sonnenuntergang wieder in der Werkstatt des Lackiermeisters, der noch die Vorbereitungen für die Lackierung fertig machen wollte.

Am nächsten Tag um 7 sollte es weitergehen - diesmal hab ich vorsorglich Iris und ihre Kamera eingepackt, da dies ein wunderbarer Tag im Bairro werden sollte. Normalerweise vermeide ich Spaziergänge in den Bairros eher. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen dem grossen Interesse an dieser immer noch so fremden und anderen Welt und dem Wirken als Eindringling, als Sensationstourist. An diesem Tag jedoch hatten wir im Bairro zu tun und wurden wieder von Estevan begleitet, somit war unser Aufenthalt berechtigt und wir konnten unsere Zweifel zerstreuen.
Belohnt wurden wir mit zahlreichen Eindrücken des Lebens im Bairro, um 7 in der Früh waren wir dort, beobachteten die Frauen am Morgen beim Wäschewaschen, die Kinder beim Spielen, die Männer beim Spazierengehen und Schnapstrinken und unseren Mestre und seinen Assistenten beim Arbeiten. Mittags dann waren wir wieder bei Estevans Freundin auf Bier und einen kleinen Snack eingeladen, die restliche Zeit verbrachten wir am Hof des Lackierers und sogen die Eindrücke der Umgebung in uns und die Kamera auf. Einige Fotos findet ihr im Anschluss, etwa gegen drei Uhr am Nachmittag war das Werk erledigt und ich hochzufrieden - der Mestre hat seine Arbeit spitzenmässig abgeschlossen und unser Auto ist nun wieder wie neu, gerade Recht um Wippi und Kerstin nächste Woche in Victoria Falls abzuholen und gemeinsam eine längere Tour durch den Hwange Nationalpark zu drehen, wo der schöne neue Lack wohl wieder gut zerkratzt wird, soviel also zu Thema Timing...

Hier noch ein paar Fotos aus Munhava, Eindrücke unserer Tour durch Zimbabwe und den Hwange folgen dann demnächst an dieser Stelle.

Alles Liebe,

Andreas

Augebeult und verspachtelt, bereit für den Paint Job


Die Nachbarinnen beim Wäschwaschen an der gemeinsamen Wasserstelle, jeder hat seine eigene Wasseruhr für die Abrechnung bei der Wassergesellschaft

Die Kids waren wie immer die besten Fotomotive und hocherfreut, sich selbst anschliessend am Display zu sehen


Mestre Americano, sein Vater, seine Frau und Tochter Tina die an diesem Tag ihren Ersten Geburtstag gefeiert hat

Die Werkstatt

Das Festessen anlässlich des Geburtstags seiner Tochter, Massamba - Kürbisblätter mit Kokosmilch und Erdnüssen, wir kennen es als Matapa mit Maniokblättern anstatt Kürbis aber ebeso lecker

Ein Kreisel, er wird durch eine kleine Peitsche zum Drehen gebracht

Das Ergebnis, ich war ob der Qualität sehr positiv überrascht


Montag, 20. August 2012

Eine ganz normale Dienstreise

Vor knapp zwei Wochen hab ich gemeinsam mit meinem Kollegen der ersten Stunde Domingos eine der letzten Buchhaltungsbaustellen einen Besuch abgestattet. Es ging nach Cuamba, die mit Sicherheit abgelegenste Stadt hier in Mosambik. Kein Flughafen, kein einziger Strassenkilometer asphaltiert, selbst die Anreise ist eine halbe Weltreise... Unsere Arbeitsagenda war wie ueblich auf drei Tage ausgelegt, das hat bisher ganz gut gereicht um die Installation unserer Buchhaltungssoftware mit den IT-Kollegen durchzufuehren und zu besprechen und anschliessend zwei Tage mit den Buchhaltern und Fuehrungskraeften die an sich schon bekannten Prozederes zu diskutieren.
Aber zu erst mal nach Cuamba kommen...

Samstags gings mit dem Flugzeug direkt nach Nampula, die Hauptstadt des Nordens und schon mehrmaliges Ziel unserer Reisen, da die UCM dort ebenfalls stark vertreten ist (Recht und Erziehungswissenschaften mit knapp 1400 Studenten). Kurz nach der Ankunft wollten wir gleich unsere Weiterreise per Zug arrangieren, aber 45 min nach Schalteroeffnung waren wir schon zu spaet um Tickets fuer die zweite Klasse kaufen zu koennen, ausverkauft. Nach laengerem Hin und Her haben wir uns dagegen entschieden in der Dritten Klasse zu buchen (schliesslich war es keine Touristenfahrt sondern einen Dienstreise und selbst die Kollegen von der Uni haben uns von der Holzklasse abgeraten).
Insofern haben wir halt einen Leertag in Nampula einlegen muessen, der Sonntag war zum ersten Mal ein Tag zur freien Verfuegung in Nampula. Da der hiesige Adminsitrator kuerzlich von Beira nach Nampula versetzt wurde (somit Domingos ehemaliger Vorgesetzter bevor ich ihn ins Rektorat geholt hab) hat er sich sehr gefreut fuer uns Touristenguide zu spielen. Somit haben wir die wenigen Spots in Nampula abgeklappert, das ethnologische Museum und natuerlich die "Feira", den wirklich riesigen Wochenmarkt. Dort wurde mir nach ca. 10 min auch gleich meine Brieftasche geklaut, richtig schoener Taschendiebstahl... Durch eine festere Beruehrung am Arm abgelenkt, 20 Sekunden drauf die obligatorische Kontrolle ob das Geldboersl eh noch in der (vorderen) Hosentasche steckt - und die Ueberraschung dass ebendiese NICHT mehr da ist. Scheisse.
Neben ein wenig Bargeld war meine Aufenthaltsgenehmigung und die Kredit- und Bankomatkarte nun ab Sonntag im Besitz einer Person, die wohl mit letzteren Dingen deutlich weniger anzufangen hat als mit den knapp 100 EUR an Bargeld.
Der restliche Nachmittag war somit mit Meldung an zwei verschiedenen Polizeidienststellen und Rundgaengen auf der Feira verbracht, ob der Typ der mich am Arm gepackt hat noch irgendwo aufzufinden ist. Natuerlich Fehlanzeige, gluecklicherweise hatte ich den Scheck mit den Reisespesen und meinen Pass noch im Hotel, somit hatte ich zumindest genuegen Bargeld fuer die restliche Reise, die dann mangels Zug am Montag (Wartungstag) am Dienstag fortgesetzt wurde, somit kamen die Kollegen in Nampula auch noch in den Genuss uns mal in ihre Buecher gucken zu lassen und Korrekturen durchzufuehren.

Um Punkt 5 am morgen (ja wirklich!) ist der Zug abgefahren, unser Abteil in der zweiten Klasse haben wir um halb 5 bezogen - alte, suedafrikanische Waggons mit sechs Schlafkojen die aber durchaus in Ordnung waren. Ganze elf Stunden dauert die Reise, eine lange Fahrt die jedoch durch eine wunderschoene Landschaft fuehrt, was die Reise kurzweilig machte. Etwa alle zwanzig Minuten haelt der Zug an Haltstellen, die zumeist voller Handelstreibenden bevoelkert ist und allersorts an Gemuese und Fruechten direkt in die Zugfenster verkaufen. Spottbillig im Vergleich zu den Stadtmaerkten, entsprechend schnell fuellt sich unser Abteil im Laufe der Fahrt mit Suesskartoffeln, Maniokwurzeln, Karotten, Zwiebeln und Tomaten. Gluecklicherweise sind keine Huehner dabei, denn wie wir auf einer anderen Tour bereits feststellen mussten kacken die Viecher in kuerzester Zeit jeden Untergrund voll, selbst wenn sie an den Beinen zusammengebunden sind und sich nicht bewegen koennen.
Ueberraschenderweise gabs sogar einen Speisewagen, wo es Brathendl und kuehle Getraenke gab.
Auf halber Strecke dann hiess es warten - die zweite Zugsgarnitur aus der Gegenrichtung ist im Anmarsch und muss an dieser Stelle den unsrigen Zug passieren. Geschlagene 15 Minuten mussten wir warten, genau wie bei der puenktliche Abfahrtszeit kam ich ins Staunen ueber diese doch ansonsten unuebliche Genauigkeit in Fahrplaenen.
Am spaeten Nachmittag kamen wir dann gut in Cuamba an, wurden vom lokalen Administrator abgeholt und in die Unterkunft gebracht. Diese war leider alles andere als angenehm, tropfende Dusche, kein Warmwasser, loechriges Moskitonetz und zu guter letzt kam Domingos nach dem Abendessen nicht mehr in sein Zimmer weil das Schloss kaputt war - unserem Zimmernachbar gings eine Stunde spaeter genauso nur dass er nicht mehr aus seinem Zimmer raus konnte...
Am naechsten Tag buchten wir uns kurzum in ein anderes, kaum teureres Hotel ein in dem zumindest alles halbwegs in Schuss und Funktion war.
Drei Tage Arbeit in Cuamba waren gerade mal ausreichend, der neue Kollege in der Buchhaltung hatte zwar noch keinen Dienstvertrag weil die Personalabteilung wiedermal zu lange braucht, war jedoch schnell in der Materie und bildet ein gutes Team mit dem bestehenden Buchhalter (der zwar keine Buchhaltungsausbildung hat aber dennoch die letzten 6 Jahre als Buchhalter angestellt war). Auch der ITler dort ist ein wiffer Kerl, der eine weitere Primavera-Installation in kuerzester Zeit auf einem zweiten Rechner ohne Anweisung ausgefuert hat wahrend wir unser neues Hotel bezogen haben.

Die Stadt Cuamba allerdings bietet dem Reisenden so ungefaehr gar nix, ausser Staub. Den dafuer im Uebermass, angesichts des bereits erwaehnten Umstandes dass es nur Erdstrassen in der ganzen Umgebung gibt - dafuer aber den Verkehr einer Kleinstadt. Vom Hotelbalkon war das Ergebnis gut sichtbar, am Abend illuminiert die Strassenbeleuchtung die ueber den Strassen haengende Staubglocke dass man glaubt sich in den Linzer Novembernebel verirrt zu haben.
Dennoch hab ich ueberraschenderweise einige Touristen in Cuamba getroffen, wohl mehr als in einem Jahr in Beira - ein Tscheche, der sich mit dem Rad von Kapstadt bis Dar es Salaam durchschlaegt, ein deutsches Paerchen auf der Durchreise zur Ilha de Moçambique und nach der Rueckreise in Nampula traf ich noch einen Franzosen und seine japanische Freundin, die ein interessantes Lebenskonzept gefunden haben. 5 Monate Arbeit in Asien (Thailand, Indonesien) um dort Bademode herzustellen (zu lassen), gefolgt von 5 Monaten Verkauf derselben Produkte in diversen Beachshops in Brasilien. Die restlichen zwei Monate reisen sie herum - alles in allem ein interessantes Konzept Arbeit und Reisen zu verknuepfen...

Schlussendlich war die Reise trotz des Aufwandes (4 Reisetage fuer 3,5 Arbeitstage) eine tolle Erfahrung, die Zugreise erlaubte einige wunderbare Impressionen der Niassaprovinz, die ich natuerlich versucht habe fuer euch einzufangen.
Und arbeitstechnisch wars bisher ebenfalls sehr positiv, heute bekam ich einen Anruf vom Buchhalter, der ein paar Unklarheiten aufklaeren wollte - scheint so als ob wir die letzte Fakultaet ohne Primavera nun ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes auf Schiene gebracht haben.

Viel Spass mit den Fotos, alles Liebe!

Andreas

Ach ja, hier die Fotos:
per Zug nach Cuambaper Zug nach Cuamba

Ausflug Inhassoro, new pics

Hello world!

Ja ich weiss, seit Monaten kaum Post - naechste Woche wird ausgiebig geschrieben, dann gibts wirklich brand news aus Mosambik, vorher gilt es jedoch noch ein paar Dinge zu arrangieren.

In der Zwischenzeit ein paar neue Fotos, anlaesslich Iris' Geburtstags haben wir uns zum ersten Mal ein paar Tage einfach nur in eine Lodge eingebucht. Vier Tage Lesen, Strandspaziergaenge, am Pool herumliegen und gut Essen - bisher waren unsere Urlaube eher abenteuerlich, aber diesmal haette es auch direkt vom Neckermannkatalog stammen koennen. Richtig fad, aber genau richtig nach einer langen arbeitsamen Durststrecke ohne viel Abwechslung.

Und hier der Link:
InhassoroInhassoro

Liebe Gruesse, geniesst den Sommer!

Andreas & Iris

Sonntag, 3. Juni 2012

und noch mehr Fotos...

Geschrieben wurde in letzter Zeit wenig, daher gibts zum Ausgleich ein paar weitere Fotos von unserem Wochenendausflug zu einer Missionsstation.
Michal, ein H3-Kollege der unter anderem auf dieser Missionsschule die IT-Lehrer ausbildet, hat uns begleitet.

Barada & Nova SofalaBarada & Nova Sofala

einstweilen noch ein paar Links zu weiteren Infos:
Nova Sofala
EsMaBaMa 

Liebe Grüße,
Andreas

Samstag, 21. April 2012

Fotos, Fotos, Fotos ....

Endlich, mal wieder neue Fotos online:
Cahora Bassa & BoromaCahora Bassa & Boroma

Die Fotos sind von unserer kleinen Reise mit Mario in den Nordwesten Mosambiks, zum Cahora Bassa Staudamm und einer alten Missionskirche aus dem 19. Jhdt.

Viel Spass!

Andreas

Dienstag, 20. März 2012

Die Sache mit der Wahrheit

Ich kenne hier viele Menschen, die von Grund auf ehrlich sind und gerade heraus das sagen, was sie sich denken. Wie bei uns viele auch sind diese Menschen einem inneren Ethos der Wahrheit verpflichtet. In Mosambik kann auch kritisiert werden – auch wenn die meisten afrikanischen Länder formal demokratisch sind, weiß man das nie so genau, was die Bevölkerung laut sagen darf und was nicht. In Mosambik liebt man die Rede, die auch systemkritisch sein darf. Dies geht zurück auf den Nationalhelden Samora Machel, der erste Präsident und Befreiungsheld Mosambiks, der diese Kunst beherrschte und im Land nach wie vor einen hohen Stellenwert hat.

Andreas sitzt gerade wieder in einem der zweitägigen Conselhos, wo sich diese Liebe zur Rede ebenfalls manifestiert, die in Mosambik manchesmal große Ausdauer von den Zuhören fordert, was aber den Mosambikanern nichts auszumachen scheint.

Aber zurück zur Sache mit der Wahrheit. Für mich häufen sich die Indizien, die zeigen, dass man mit dem Erzählen einer Geschichte in Mosambik weiter kommt, als mit der Wahrheit. Diesen Eindruck bekam ich auch schon bei MULEIDE, doch so richtig greifbar wurde dieses System damals für mich noch nicht, handelte es sich doch nur um eine von vielen Organisationen. Auch Kollegen erzählten von ihren Organisationen und da wurden doch einige Ähnlichkeiten sichtbar. Das Erzählen einer schönen Entwicklungsgeschichte – den darum handelt es sich meistens – geht über all diese kleinen Organisationen hinaus und scheint sich als politische Strategie manifestiert zu haben, eines Landes, dass sich ausschließlich nach außen orientiert und von den internationalen Entwicklungsorganisationen und Staaten ständig Orientierungen und Ziele auferlegt bekommt. Für mich bestätigt sich der Eindruck immer wieder, dass die Regierung und all die Organisationen, die von Geldern der Geberländer profitieren Entwicklung als Buisness betreiben. Echte Entwicklung ist dabei nicht (mehr) relevant. Was zählt sind die Berichte, die als ausreichender Beweis für die internationalen Organisationen, deren Urteil die weiteren Geldflüsse definiert, herhalten.

Hier ergibt sich jedoch eine Riesenkluft zwischen dem was in den Berichten steht und Besuchern erzählt wird und dem was tatsächlich realisiert wurde. Für mich ist es immer wieder bemerkenswert, wie professionell diese Art des Selbstmarketings auf allen Ebenen der Gesellschaft, trotz all der Inkompetenzen, die es in vielen anderen Bereichen gibt, beherrscht wird.

Die Lüge ist scheinbar saloonfähiger, als die Wahrheit. Die internationale Gemeinschaft ist hier Partner und nicht etwa nur unwissender Zuseher, den diese Handlungsmuster können sich nur entwickeln, weil sie gefördert werden, eben weil die internationale Gemeinschaft es sich zur Gewohnheit werden lassen hat, einfach nicht so genau hinzusehen, aber dafür alle Ziele auf den Papier zu erreichen. Und die mosambikanischen Entscheidungsträger erweisen gerne diesen Gefallen durch ihre schönen Geschichten der Entwicklung. Es ergibt sich wie in jedem guten Buisness eine Win-Win-Situation. Alle Beteiligten sind damit zufrieden, betrogen wird das Volk.

Es gibt viele Mosambikaner die sehen die ungesunde Seite dieser Entwicklungen sehr wohl. Felizarda, meine Sprachlehrerin, erzählte mir gestern, wie sie mit diesem Widerspruch in ihrem Alltag als Lehrerin umgeht. Sie unterrichtet in der Segundaria – also die 12 – 18-Jährigen – Englisch und Französisch. Im Jahr 2000 hat man in Mosambik eingeführt, dass alle Kinder bis zur fünften Klasse automatisch Aufsteigen können. Dieses System gibt es jetzt seit ca. 12 Jahren mit der katastrophalen Folge, dass die jüngeren Kinder bis zur fünften Klasse gravierende Defizite entwickeln, weil sie wissen, dass sie ohnehin aufsteigen können. In ihrem ersten Unterrichtsjahr beurteilte Felizarda die damals 10. Klasse nach ihrem realen Lernergebnis, es kamen nur 45 % beim Abschlussexamen durch. Dem Direktor der Schule gegenüber, der die Ergebnisse dem Ministerium gegenüber erklären muss und angehalten ist für die Statistiken schöne Ergebnisse zu liefern, hat sie ehrlich dargelegt, weshalb dieses Ergebnis zustande gekommen ist: die Schüler machen keine Hausübungen, lernen nichts, … schlicht hatten in ihren ersten Unterrichtsjahren gelernt, dass es nicht darauf ankommt in der Schule etwas zu tun. Ihre Kollegen prophezeiten ihr damals, weil sie dies sagte, Probleme mit dem Ministerium. Diese hat sie bis heute nicht bekommen, weil sie die Schüler jetzt verstärkt zu guten Noten motiviert, durch positives Feed-Back stärkt und so engagiert und hart mit ihnen arbeitet (eine Klasse hat immerhin 90 Schüler!), bis sie reale Ergebnisse hat, die auch in die Statistiken passen ohne sie aufputzen zu müssen.

Üblich ist dieses Engagement Felizardas und auch diese Verpflichtung zur Wahrheit nicht. Ihre Kollegen beäugen sie kritisch und folgen ihrem Beispiel nicht, manche halten sie sogar für rebellisch. Üblicher ist, dass zum Schluss von den ganz Schlechten, die etwas weniger Schlechten doch durchgelassen werden, um das richtige Ergebnis zu haben oder was ebenfalls sehr verbreitet ist, diejenigen durch zu lassen, die zur Prüfung noch einen Geldschein dazulegen. So ist ein Schulabschluss bis hin zum Uniabschluss in Mosambik auch käuflich. Die Lüge oder auch Korruption wird schon früh eingeübt und das Nichtstun belohnt. Felizarda bestätigt das, was ich schon länger befürchte: das Bildungssystem in Mosambik ist in einer Krise.


Was tut sich sonst so bei uns in Beira?


Nach diesem Ausflug in die mosambikanische Gesellschaft hier noch ein paar Zeilen über uns:

Der Klimawechsel macht sich auch bei uns bemerkbar. Es ist zwar immer noch heiß, aber bei dem ersten Kältesturz (auf ca. 25 Grad) hat sich Andreas einen Grippevirus eingefangen, mittlerweile voll auskuriert, aber jetzt, wie es so ist, an mich weitergegeben.

Nhica unser Hund wurde das erste Mal von einem Hund aus der Nachbarschaft gebissen, er war so richtig arm und bemitleidenswert. Mittlerweile ist dies aber auch schon wieder zugeheilt.

Letzte Woche musste ich für einen Tag auf eine Konferenz des Erziehungsministeriums nach Maputo fliegen, was eine weitere hochinteressante interkulturelle Erfahrung war. Unter anderem kam heute daher die Inspiration zum oben verfassten Bericht.

Mein Kollege und bisheriger Counterpart, der Koordinator des Departments für Qualitätsmanagement, hat gekündigt. Es gibt wieder eine Neuorientierung. Aber ich mache jetzt auch Workshops für Dozenten zum Methodentraining, die mittlerweile gut laufen.

Ansonsten: Temos Saudades! – Wir haben große Sehnsucht!

Und wir freuen uns auf den Besuch von Mario, der uns Mitte April besuchen wird!


Genießt jeden erfrischenden Frühlingsregen für uns mit!

Ich hoffe es geht euch allen sehr, sehr gut!!!

Ganz viele liebe Grüße,


Iris



Samstag, 7. Januar 2012

Ueber die Effizienz von Besprechungen

(das Fehlen der deutschen Umlaute ruehrt von der portugiesischen Tastatur her, ich hoffe dies beintraechtigt die Lesbarkeit des Textes nicht allzusehr)

Nun, dass Besprechungen und Meetings im europaeischen Arbeitskontext oft den Ruf von Zeitverschwendung mit einem Hang zu uebermaessigem Kaffeekonsum haben, kann wohl als quasi gegebene Wahrheit angesehen werden.
Abgesehen von der Tatsache, dass es hier nichtmal richtigen Kaffee zu den Meetings gibt, stehn mir die Conselhos (Konferenzen) auf der Uni schon bis zum Hals. Seit zwei Tagen sitzen wir nun im Conselho da Reitoria und Gestao financeira, dem Verwaltungs- und Finanzrat der UCM.
Die 12 Teilnehmer, allesamt Direktoren und Administratoren sowie wir drei "Berater" sitzen nun den dritten Tag in Folge zusammen um die Inhalte fuer die Jahreshauptversammlung der UCM in vier Wochen zu bearbeiten.
Ich hab in den letzten beiden Jahren eine enorme Toleranz und Geduld ob der Ineffizienz der Arbeitsablaeufe entwickelt, diese droht jedoch heute einzustruerzen wie ein Kartenhaus in einem Tropensturm.

Thema 1, der Strategieplan fuer die naechsten 5 Jahre:
Erstellt wurde das 34-seitige Dokument im ersten Halbjahr 2011 durch ein Team aus 4 - 5 Personen. Zum ersten Mal wurde die Strategie dann im Herbst durch das Conselho behandelt, das sieht in Mosambik folgendermassen aus:
Natuerlich werden alle Dokumente ausgedruckt und verteilt (mittlerweile geht der ohnehin sehr grosse Tisch vor lauter Papier ueber), anschliessend zusaetlich per Beamer auf die Wand projeziert (wobei vorher ein Bild abmontiert werden muss, wie jedesmal), und eine Person wird nominiert den Text vorzulesen. Bei jedem Satz werden Rechtschreibfehler, semmantische Feinheiten und Akzente korrigiert, so gehen ca. 15-30 min pro Seite drauf. Der Inhalt hingegen kann durch diese Arbeitsweise nicht im geringsten erfasst werden. Mit keinem einzigen Wort werden die strategischen Ziele analysiert oder abgestimmt, stattdessen wird dem Vorleser jeder Tippfehler oder uebersehene Rechtschreibfehler minutenlang vorgehalten und bei der Korrektur zugesehen. Ich als non-native speaker sitz sowieso nur dabei und versuch Schritt zu halten bei der Erfassung der Inhalte, was nach spaetestens 2-3 Stunden nicht mehr moeglich ist. Bei der ersten Session zur Evaluierung des Strategieplans im Oktober wurde am ersten Tag von 8-22:30 gelesen, korrigiert und umgeschrieben, am zweiten Tag wurde immerhin nur bis 19:00 gearbeitet. Im Dezember dann dasselbe wieder, zwei Tage zur weiteren Ueberarbeitung - die um es nochmal zu erwaehnen - fernab von der sinnerfassenden Analyse und Definition einer Unternehmenstratgie mehr einer Klausurkorrektur denn einer Planung gleicht.
Diesen Donnerstag gings dann wieder los, zum wer weiss wievielten Mal wurde einen ganzen Tag lang das Dokument ueberarbeitet. Ich bezweifle stark, dass ein einziger der Teilnehmer (wie gesagt Top-Level "Manager") auch nur 3 der 10 strategischen Ziele fuer die naechsten 5 Jahre aus dem Stegreif erklaeren koennte.
Im Anschluss am Freitag eine ca. 3 stuendige Diskussion ueber das Organigramm, die immerhin ein paar inhaltliche Aspekte hatte.
Und dann wurde in ca. 15 min (sehr demokratisch mit Abstimmung) beschlossen, zwei kleinere Einheiten (Umsatz ca. 1 Mio. US$) organisatorisch in eine andere Fakultaet einzugliedern - ohne die Konsquenzen und Abhaengigkeiten auch nur im geringsten zu diskutieren. Der Nachmittag gin dann mit der Ueberarbeitung (methodisch hat sich nix veraendert) des Pastoralplans, immerhin nur 9 Seiten - da der Pastor selbst anwesend war ging der ganze Nachmittag und Abend drauf, fuer 9 (!) Seiten.

Wir haben es im letzten Jahr geschafft, einheitliche Budgetvorlagen fuer die 12 dezentral gefuehrten Fakulaeten und Zentren zu schaffen, Berichtsstandards und Budgetleitfaeden zu definieren und sie im Rahmen mehrerer Workshops den Fuehrungskraeften der Einheiten naeherzubringen. Als Resultat haben wir nun zwei Wochen nach der Deadline - nach mosambikanischer Auffassung also puenktlich - tatsaechlich alle Budgets in der Hand, die in ein paar Wochen den Stakeholdern (Bischoefen) praesentiert werden sollen und von ihnen abgesegnet werden muessen. Immerhin hat mittlerweile einer der Direktoren in einem ploetzlichen Anfall von Weitblick bemerkt, dass wir ja eigentlich im Jaenner die Ausgaben ohne bewillgtes Budget durchfuehren.
Nun, waehrend die Kollegen gerade den Leitfaden fuer die Vorlesungen, Pruefungen und studentische Belangen in gewohnter Weise "ueberarbeiten" schreib ich diese Zeilen - da ich fachlich ohnehin nichts beizutragen hab. Es ist jetzt Samstag, 11:40 und seit drei Tagen tagen wir - bisher wurde noch kein Wort ueber die Budgets verloren.

In Sitzungen wie diesen sehne ich mich nach Europa, nach Effizienz und Effektiviaet. Ich erinnere mich an den Empfang des deutschen Honorarkonsuls von Mosambik, ein grosser Foerderer der Uni seit der Gruendung und Eigentuemer einer Privatbank in Deutschland. Er hatte eine Tagesordnung, die in gewohnt deutschem Tempo abgehandelt wurde. Punkt 1 - wesentliche Inhalte - Handlungsmassnahmen - Verantwortlichkeit - Termine - naechster Punkt usw... nach vielleicht 1,5 Stunden war der Spass (fuer mich wars wirklich ein Spass zu sehen wie die Kollegen ob dem Tempo nur noch mit den Ohren schlackerten) vorbei und meine Kollegen haben mich nur noch verdutzt angeschaut.

Sitzungen zum Selbstzweck - die ueblichen Witze ueber Besprechungen in Europa treffen die Wahrheit hier wie der Deckel auf den Topf. Aber gut, ich ermahne mich zur Geduld, aus Erfahrung wird man klug heisst es. Immerhin, so ein Freund per Skype kuerzlich, wird geplant, wird diskutiert, auf beeindruckend demokratische und partizipative Weise.

Der Weg den die Uni geht ist der richtige, auch wenn hier oft drei Schritte vorwaerts, zwei nach links und einer zurueck, danach eine Bier getrunken wird und anschliessend wieder vom Anfang losgegangen wird.

In diesem Sinne, ein schoenes Wochenende - hoffentlich bald auch fuer mich...

Andreas