Sonntag, 16. September 2012

Paint Job im Bairro

Vor etwa vier Monaten ist uns beim Besuch einer Mission am Sambesi in der Nähe von Tete ein Kleinlastwagen reingekracht. Der Unfall und die folgenden Aktionen selbst sind ja eigentlich schon einen eigenen Beitrag wert, daher in Kurzfassung was damals passiert ist.

Auf dem Weg nach Boroma, einer Missionsstation der Jesuiten aus dem 19. Jahrhundert, wunderschön auf einem kleinen Plateau über dem Sambesi gelegen, mussten wir an einer engen Stelle der Piste stehenbleiben weil ich schon einen kleinen Laster die Strasse hochkommen sah. Gut, abwarten und Geduld beim Autofahren hier ist sowieso oberstes Gebot, als aber jener Laster auf Höhe meines Seitenspiegels war hab ichs schon krachen gehört. Er hat den Spiegel tangiert, welcher folglich nicht mehr zu gebrauchen war und ist ab der Mitte der hinteren Tür der Seite entlanggeschrammt. Scheiben sind glücklicherweise keine gebrochen und es blieb bei einem Blechschaden.


Ausgestiegen und den Schaden begutachtend trafen wir auf den Fahrer, der behauptete die beiden Ochsen hinten auf der Ladefläche seien plötzlich auf meine Seite gerutscht und er wurde daher versetzt - naja, überprüfen liess es sich ohnehin nicht mehr, auf Polizei wollte er gerne verzichten da er natürlich weder Führerschein, Zulassungspapiere und Versicherung gehabt hat - selbst das Auto hat nichtmal ihm gehört, er war nur der Fahrer.
Normalerweise, so die afrikanische Regel, wird in solchen Fällen gemeinsam auf die Polizei gefahren um die Sachlage zu klären - wir waren allerdings knapp vor unserem Ziel und somit wär der ganze Ausflug ins Wasser gefallen, also haben wir uns auf die riskante Variante eingelassen ihn später zu Hause zu treffen. Dokumentiert war alles, Fotos vom Schaden, von der Kopie seines Personalausweises, vom Kennzeichen und genug Zeugen hatten wir auch dabei.

Boroma, gegründet ca. 1890

Nun, beim Rückweg haben wir ihn telefonisch natürlich nicht erreicht, dafür hat eine Frau abgehoben die behauptet hat den Mann nicht zu kennen. Uns schwante Böses... Ein Kollege von der Uni in Tete war mit dabei und hat uns geholfen, den Kerl im Bairro aufzuspüren. Nach langem herumfragen, herumzeigen des Fotos usw. haben wir dann eine Person gefunden bei der der Kerl noch eine offene Rechnung hat, sie hat uns bereitwillig seinen Wohnort erklärt. Dort haben wir auch den Lastwagen angetroffen und nach kurzer Zeit auch ihn gefunden. In solchen Fällen ist der Motorista, der Fahrer, normalerweise nicht für den Schaden verantwortlich da er quasi im Dienst des Fahrzeugsbesitzers gehandelt hat - und dieser Mann war wie wir erfahren haben zufälligerweise Dozent auf der UCM.
Somit war die Sache halbwegs geritzt - nachdem der Besitzer erfahren hat in wessen Auto sein Fahrer reingekracht ist (einer der vielen Vorzüge zum Topmanagement der UCM zu gehören...) und nach einem gemeinsamen Gespräch mit dem Direktor der Fakultät dort hat er sich schriftlich bereiterklärt, den Schaden zu bezahlen.

Lange Vorgeschichte, nun zum Kern.

Was ist zu tun wenn das Auto verbeult ist und der Tankdeckel (also dieses Blechdings, nicht der Verschluss) nicht mehr am Auto ist.
In Österreich wohl in die Vertragswerkstätte fahren, den Deckel um 300 EUR aus Japan bestellen, ebenso die Teile der Plastikverkleidung (wohl ebenfalls 300 EUR), dieselben lackieren lassen (400 EUR) und die ganze Seite des Autos ausbeulen, mit Spachtelmasse ausgleichen und ebenfalls lackieren (3.500 EUR). In Anbetracht des Aufwandes würden die meisten das Auto wohl eher gleich dem nächsten Afrikaner verkaufen, der die Kiste dann in seinem Heimatland billig herrichten würde.
Aber da wir ja in einem dieser Länder sind, wo ebendiese Schrottkübel oft landen hab ich die Sache halt hier vor Ort in Angriff genommen, was einem Canossagang glich.
Wochenlang war ich unterwegs um einen günstigen Bata-Chapa (wörtlich übersetzt Blechklopfer also Spengler) zu suchen - kommt man als Weisser in eine dieser "Werkstätten" setzt meist eine sprunghafte Inflation ein und die Preise vervierfachen sich von einem Moment auf den anderen. Also Vertrauensleute gesucht, diese vorgeschickt bis ich vor ein paar Wochen endlich jemanden um ca. 45 EUR aufgetrieben habe, der das Blech einen Tag lang bearbeitet hat und wieder halbwegs gerichtet hat.

Geduld ist, wie ich schon desöfteren angemerkt habe, hier der Schlüssel zu fast allen Ergebnissen. So traf ich dann am Markt beim Brotkaufen auf einen Jungen, der mit Iris schon desöfteren über unser desolates Auto geplaudert hat, der mir angeboten hat den fehlenden Tankdeckel auftreiben zu können - und ausserdem jemanden zu kennen der gut lackieren kann. Am übernächsten Tag also den Jungen gesucht und mit seinem Kollegen für den folgenden Tag vereinbart, den Lackierer aufzusuchen. Um 8:00 am nächsten Morgen haben wir dann den besagten Mann getroffen und uns auf den Weg gemacht das ganze notwendige Zeugs zu besorgen. Schleifpapier, Grundierung, Lack und was weiss ich was da alles in den Einkaufskorb des einzigen Lackgeschäftes in Beira gewandert ist, immerhin haben sie dort mittlerweile eine computerisierte Mischanlage die auf Basis des Farbcodes des Autos die richtige Farbe mischen kann!
Zwei Stunden später sind wir dann bei einer Werkstatt stehengeblieben, die die Plastikteile kleben kann. Nach zähen Verhandlungen wurde ich 18 EUR für das Kleben und weitere 20 EUR für einen selbstgebastelten Tankdeckel los. Als der Tankdeckelmanufakteur mit einer Blechzange und einem Stück Karton Maß für den Deckel nahm schwante mir schon eine böse Vorahnung, dass das nicht funktionieren wird.

Die nächsten Schritte: warten bis die Farbe fertig gemischt ist, abholbereit ab 14:00. Der Lackierer ist ein Mann der Tat, hochmotiviert und daher sind wir in seine Werkstatt gefahren - nach Munhava, in eines der Bairros am Stadtrand von Beira. Die Werkstatt bestand aus einer kleinen Garage ohne Dach zwischen zwei kleinen Häuschen, mitten im Bairro zwischen all seinen Nachbarn und Familienangehörigen.
Americano, so sein wunderlicher Name, hat sich sogleich an die Arbeit gemacht und mit seinem Assistenten angefangen, die Spachtelmasse aufzutragen und den alten Lack auf der kompletten rechten Autoseite und der Kühlerhaube, deren Lack auch mit der Zeit schon abgeplattlt ist, abzuschleifen.
Der Vermittler, Estevan, hat mich nach einer Viertelstunde gefragt ob wir nicht auf ein Bier schaun sollten - zu seiner Namorada, seiner Geliebten also. Die Esposa, seine Frau wohnte allerdings in Ponta Gea, unserer Nachbarschaft. Allerdings hat er mir später erklärt dass seine Frau eigentlich nicht mehr seine Frau ist und nur die leibliche Mutter seines Kindes, naja, is halt so.
Dort gabs zu Mittag nun schon das erste kühle Bier während wir gewartet haben dass die Zeit vergeht und wir den Lack abholen können. Später gabs sogar noch ein kleines Mittagessen von seiner Namorada, Fisch mit Reis und Sosse, lecker.
Um viertel nach zwei hat dann der Lackierer angerufen, war schon grantig dass wir uns so lange nicht blicken liessen, aber der Aufenthalt bei Estevans Freundin war sehr kurzweilig.

Die Stimmung im Bairro lässt sich kaum in Worte oder Bilder fassen. Kleine, enge Gassen aus notdürftig gebauten Lehm-, Stein- und Ziegelhäusern, unzählige Kinder die sich auf frisch aufgeschütteten Erdhaufen der Strassenmeisterei austoben. Ein ständiges Kommen und Gehen von Nachbarn und Leuten, die ein paar Kleinigkeiten in ihrem Mini-Shop kaufen und interessante Diskussionen mit allen Beteiligten - die Zeit verging wie im Flug.
Am Nachmittag dann gings wieder zurück in die Stadt, die Farbe, die hoffentlich bereits geklebten Autoverkleidungsteile und den ominösen Tankdeckel abzuholen. Das Einzige, was bis 15:00 fertig war war die Farbe. Die Teile waren schon fast fertig repariert allerdings hat der Tankdeckel natürlich hinten und vorne nicht gepasst... Zwei Stunden hat der Kerl dann noch gebraucht um den Deckel einigermassen hinzubekommen - meine ursprüngliche Skepsis hat sich leider bestätigt.Schlussendlich hats dann doch halbwegs geklappt, die Deckel hat mehr oder weniger gepasst und liess sich verschliessen und nur von Innen öffnen. Somit waren wir kurz vor Sonnenuntergang wieder in der Werkstatt des Lackiermeisters, der noch die Vorbereitungen für die Lackierung fertig machen wollte.

Am nächsten Tag um 7 sollte es weitergehen - diesmal hab ich vorsorglich Iris und ihre Kamera eingepackt, da dies ein wunderbarer Tag im Bairro werden sollte. Normalerweise vermeide ich Spaziergänge in den Bairros eher. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen dem grossen Interesse an dieser immer noch so fremden und anderen Welt und dem Wirken als Eindringling, als Sensationstourist. An diesem Tag jedoch hatten wir im Bairro zu tun und wurden wieder von Estevan begleitet, somit war unser Aufenthalt berechtigt und wir konnten unsere Zweifel zerstreuen.
Belohnt wurden wir mit zahlreichen Eindrücken des Lebens im Bairro, um 7 in der Früh waren wir dort, beobachteten die Frauen am Morgen beim Wäschewaschen, die Kinder beim Spielen, die Männer beim Spazierengehen und Schnapstrinken und unseren Mestre und seinen Assistenten beim Arbeiten. Mittags dann waren wir wieder bei Estevans Freundin auf Bier und einen kleinen Snack eingeladen, die restliche Zeit verbrachten wir am Hof des Lackierers und sogen die Eindrücke der Umgebung in uns und die Kamera auf. Einige Fotos findet ihr im Anschluss, etwa gegen drei Uhr am Nachmittag war das Werk erledigt und ich hochzufrieden - der Mestre hat seine Arbeit spitzenmässig abgeschlossen und unser Auto ist nun wieder wie neu, gerade Recht um Wippi und Kerstin nächste Woche in Victoria Falls abzuholen und gemeinsam eine längere Tour durch den Hwange Nationalpark zu drehen, wo der schöne neue Lack wohl wieder gut zerkratzt wird, soviel also zu Thema Timing...

Hier noch ein paar Fotos aus Munhava, Eindrücke unserer Tour durch Zimbabwe und den Hwange folgen dann demnächst an dieser Stelle.

Alles Liebe,

Andreas

Augebeult und verspachtelt, bereit für den Paint Job


Die Nachbarinnen beim Wäschwaschen an der gemeinsamen Wasserstelle, jeder hat seine eigene Wasseruhr für die Abrechnung bei der Wassergesellschaft

Die Kids waren wie immer die besten Fotomotive und hocherfreut, sich selbst anschliessend am Display zu sehen


Mestre Americano, sein Vater, seine Frau und Tochter Tina die an diesem Tag ihren Ersten Geburtstag gefeiert hat

Die Werkstatt

Das Festessen anlässlich des Geburtstags seiner Tochter, Massamba - Kürbisblätter mit Kokosmilch und Erdnüssen, wir kennen es als Matapa mit Maniokblättern anstatt Kürbis aber ebeso lecker

Ein Kreisel, er wird durch eine kleine Peitsche zum Drehen gebracht

Das Ergebnis, ich war ob der Qualität sehr positiv überrascht


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